Wiesbaden zeigt seit vergangener Woche, wie Einkaufen für alle angenehmer sein kann. Jeden Donnerstag zwischen 15 und 17 Uhr wird es in mehr als 20 Geschäften der Innenstadt ruhiger und dunkler. Diese „Stille Stunde“ ist vor allem eine gute Nachricht für Eltern von Kindern, die auf Lärm, grelles Licht oder viele Eindrücke besonders stark reagieren.
Warum die Idee so wichtig ist
Wer mit einem autistischen Kind, einem Kind mit ADHS oder Migräne unterwegs ist, kennt das Problem: Dauerbeschallung aus Lautsprechern, helle Reklametafeln und dichtes Gedränge lösen Stress aus – für das Kind und oft für die ganze Familie. In der Stillen Stunde wird das Licht gedimmt, Musik bleibt aus, Durchsagen entfallen und es gibt Ruhezonen. So können Familien ohne Angst vor Überreizung einkaufen, nach Schuhen stöbern oder einfach bummeln. Auch ältere Menschen oder Kundinnen und Kunden mit Long Covid oder Demenz profitieren von der entspannten Atmosphäre.
Woher kommt die Initiative?
Die Idee stammt ursprünglich aus Neuseeland. Ein Vater wollte seinem autistischen Sohn das Einkaufen erleichtern und entwickelte dort das Konzept „Quiet Hour“. Von dort verbreitete es sich weltweit. In Deutschland gab es bisher nur einzelne Versuche, oft ohne feste Zeiten und ohne städtische Hilfe. Wiesbaden ist nun die erste Stadt, die eine solche Stunde regelmäßig und gemeinsam mit vielen Geschäften organisiert.
Möglich wurde das durch die Zusammenarbeit der Landeshauptstadt, des Vereins „gemeinsam zusammen e.V.“ und des Landes Hessen. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende nennt die Stille Stunde „ein wichtiges Zeichen für gelebte Inklusion“. Hessens Sozialministerin Heike Hofmann hofft, „dass weitere Städte diesem Beispiel folgen“.
Wer macht mit?
Große Häuser wie Galeria, das Einkaufszentrum Luisenforum und Saturn sind dabei, ebenso viele kleinere Läden – von der Buchhandlung bis zum nachhaltigen Modeladen. Bürgermeisterin und Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger ruft weitere Händler auf, sich anzuschließen: „Freiwilliges Engagement macht unsere Innenstadt zukunftsfähig.“
Was bedeutet das für Familien?
Für Eltern ist die Stille Stunde mehr als nur eine Werbeaktion. Sie schenkt ihnen zwei sorgenfreie Stunden, in denen sie mit ihren Kindern einkaufen können, ohne ständig auf Reizüberflutung achten zu müssen. Das erleichtert den Alltag, spart Kraft und stärkt das Selbstvertrauen der Kinder.
Auch wer keine besondere Empfindlichkeit hat, merkt schnell: Weniger Lärm tut allen gut. Vielleicht kauft man bewusster ein, vielleicht bleibt mehr Zeit für ein freundliches Gespräch an der Kasse.
Ein kleiner Schritt – mit großer Wirkung
Wiesbaden zeigt, wie einfach Barrierefreiheit manchmal sein kann: Licht dimmen, Lautstärke senken, ein bisschen Rücksicht nehmen. Für viele Familien ist das ein großes Geschenk. Und vielleicht der Anfang einer Bewegung, die bald in weiteren Städten Schule macht.