Freizeitstudie des Instituts für Jugendkulturforschung

10.02.2021 | 10:39 Uhr

Das Institut für Jugendkulturforschung beschäftigt sich seit Beginn der Corona-Krise intensiv mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kids, Jugendliche und junge Erwachsene. Das aktuelle „Kids- und Teens-Special: Freizeit im Lockdown“ gibt nun Einblicke in die Freizeitwelten 11- bis 17-Jähriger in der Corona-Pandemie.

400 repräsentativ ausgewählte Jugendliche wurden mitten im Lockdown dazu befragt, was sie in ihrer Freizeit am allerliebsten machen, aber auch, ob sie bereit wären, ein Stück ihrer freien Zeit dafür zu verwenden, ältere Menschen aus der Corona-Risikogruppe im Lockdown-Alltag zu unterstützen.

Die Studienergebnisse zeichnen das Bild einer in der Covid-19-Pandemie generationen-solidarischen, aber mittlerweile erschöpften Jugend, für die eine bedürfnis­orientierte Freizeitgestaltung ein wichtiger Beitrag zu psycho-emotionaler Stabilität wäre.

Sport und Bewegung, Peer-Kontakte und chillen on top

Freunde und Freundinnen treffen, outdoor aktiv sein und zwischendurch so richtig gemütlich chillen ist das, was 11- bis 17-Jährige in Sachen Freizeitgestaltung im Lockdown am liebsten tun. 82% sehnen sich nach gemeinsamen Unternehmungen mit ihren Freunden und Freundinnen. Sport und Fitnesstraining wird von immerhin 41% der 11- bis 17-Jährigen als eine Freizeitbeschäftigung, die sie besonders gerne ausüben, genannt. Rund ein Drittel der Kids und Teens (30%) nennt Sport und Bewegung sogar als ihre allerliebste Freizeitbeschäftigung im Lockdown.

66% genießen es darüber hinaus, sich aus dem Lockdown-Stress auszuklinken, einfach einmal nichts zu tun und zu relaxen. „Es ist schon erstaunlich, wie wichtig chillen derzeit für Jugendliche ist, und zwar trotz der Ereignislosigkeit und Monotonie des Pandemie-Alltags, mit der viele ringen. Grund dafür dürfte sein, dass der Schulunterricht im Distance-Learning-Modus, aber auch der familiäre Alltag, also das ständige Zusammensein mit den Eltern und Geschwistern, als sehr energieraubend erlebt wird. In diesem Szenario gewinnt eine an den individuellen Bedürfnissen orientierte Freizeitgestaltung für die psychische Gesundheit der Kids und Jugendlichen ungemein an Bedeutung. Und zugleich wächst das Bedürfnis nach einfach einmal Loslassen, Nichtstun und Relaxen“, so Studienautorin Beate Großegger.

Entspannungstechniken wie Yoga spielen bei den coronamüden Kids und Jugendlichen im Lockdown übrigens eine untergeordnete Rolle: Gerade einmal 6% der 11- bis 17-Jährigen sagen, dass sie Yoga in ihrer Freizeit besonders gerne machen.

Mädchen zeigen in Sachen Freizeitgestaltung einen breiteren Präferenzmix, Peer-Kontakte der Jungs konzentrieren sich auf außerhäusliche Freizeitsettings

Der Geschlechtervergleich macht deutlich, dass Mädchen in Sachen Freizeitpräferenzen breiter aufgestellt sind als Jungs, d.h. sie sind in ihrer Freizeitgestaltung weniger stark auf einige wenige Freizeitaktivitäten konzentriert. Kontakt mit Freunden und Freundinnen ist Mädchen und Jungs gleichermaßen sehr wichtig. Jungs ziehen Gleichaltrigenkontakte in außerhäuslichen Settings den zuhause stattfindenden Aktivitäten mit Freunden und Freundinnen allerdings vor. Zudem zeigt die Studie, dass das Freizeitverhalten im Kids- und Teenager-Alter zum Teil sehr stark geschlechtsspezifisch akzentuiert ist: Gaming etwa ist eine männliche Domäne, Lesen und Shopping sind hingegen weiblich. Und auch Events und Veranstaltungsbesuche sind für Mädchen „cooler“ als für Jungs.

Die Lieblingsfreizeitbeschäftigung wird im Lockdown verstärkt zum Thema jugendlicher Selbstreflexion

Vergleicht man die Freizeitpräferenzen vor der Corona-Pandemie mit den Freizeitpräferenzen im zweiten und dritten Lockdown, wird deutlich, dass die Freizeitbedürfnisse der Teenager in den letzten 15 Monaten trotz Krisenerfahrung vergleichsweise stabil geblieben sind, die Rahmenbedingungen, die Jugendliche für Freizeitgestaltung in der Corona-Pandemie vorfinden, sind jedoch völlig andere. In diesem Szenario wird die persönliche Lieblingsfreizeitbeschäftigung, wie das aktuelle Kids- und Teens-Special „Freizeit im Lockdown“ zeigt, verstärkt zum Thema jugendlicher Selbstreflexion. Galt vor der Corona-Pandemie noch für ein Drittel der 16- bis 17-Jährigen: „Ich habe keine spezielle Lieblingsfreizeitbeschäftigung – Hauptsache frei!“, sagt das in Lockdown 2 und 3 nur mehr rd. jede/r Sechste. 84% machen sich hingegen nun Gedanken, was sie in der Freizeit wirklich gerne tun bzw. was sie gerne machen würden, wenn es die Corona-Pandemie zuließe.

Engagement für ältere Menschen aus der Corona-Risikogruppe: Mädchen haben die Nase vorne

Wenn es darum geht, ein Stück der freien Zeit dafür zu verwenden, älteren Menschen aus der Corona-Risikogruppe informelle Unterstützung im Lockdown-Alltag anzubieten, etwa indem man für die alten Nachbarn, die nebenan wohnen, Besorgungen erledigt oder mit ihrem Hund Gassi geht, geben sich Mädchen engagierter als Jungs. Das zeigte sich bereits zu Beginn der Corona-Krise, im ersten Lockdown, und das gilt auch für die aktuelle Umfrage zu Freizeit im zweiten und dritten Lockdown.

Über die langen Monate der Krise hinweg ist bei jungen Menschen die grundsätzliche Solidarität mit älteren Menschen aus der Risikogruppe erfreulich stabil, und zwar auf hohem Niveau. Die Bereitschaft, sich täglich Zeit für ein längeres Telefonat mit Oma und Opa Zeit zu nehmen, um einen Beitrag zu leisten, den Großeltern die soziale Isolation ein wenig zu erleichtern, ist im Vergleich zu Lockdown 1 im Frühjahr 2020 allerdings rückläufig. Für aufmunternde Gespräche mit den Großeltern fehlt den coronamüden Jugendlichen zunehmend die Energie und, selbst betroffen von der Ereignislosigkeit des Alltags im Modus des Social Distancing, wissen die Jugendlichen auch nicht, was sie den Großeltern erzählen sollen.

„Wir beobachten nicht etwa eine Entsolidarisierung mit älteren Menschen, sondern vielmehr eine zunehmende persönliche Überforderung Jugendlicher, die es ihnen nicht mehr ermöglicht, in der Krise auch noch für andere eine psychische Stütze zu sein,“ so fasst Großegger die Studienergebnisse zusammen. „Diejenigen, die helfen wollen, konzentrieren sich daher darauf, in Alltagsdingen praktische Unterstützung anzubieten, und vermeiden Gespräche über die Tristesse des Alltags in der Pandemie.“

Recharging – bedürfnisorientierte Freizeitgestaltung als Medizin gegen Corona-Müdigkeit

Freizeit ist für Kids und Teens nicht nur ein wichtiger Erlebnisfaktor, bedürfnisorientierte Freizeitgestaltung ist für 11- bis 17-Jährige in der Corona-Pandemie auch ein wichtiger Beitrag zu emotionaler Stabilität und psychischer Gesundheit. Medienaktivitäten am Smartphone und in Social Media bestimmen, wie man weiß, den Freizeitalltag der 11- bis 17-Jährigen sehr stark. Dennoch gilt: Non-mediale Formen der Freizeitgestaltung sind für Kids und Jugendliche „cooler“ – auch und gerade im Kontext der Lockdown-Erfahrung. Hier muss man ansetzen, wenn man dem Gefühl der Erschöpfung durch soziale Isolation, durch fehlende Ablenkung und durch lähmende Langeweile, unter der mit zunehmender Dauer des Corona-Ausnahmezustandes immer mehr junge Menschen leiden, etwas entgegensetzen will.

„In Zeiten der Corona-Pandemie gilt mehr denn je: Freizeit macht nicht nur Spaß, sie hilft uns auch, unsere Batterien wieder aufzuladen, um den Belastungen des Alltags standzuhalten“, so Studienautorin Beate Großegger. „Umso wichtiger ist es, sich im Kontext von Covid-19 mit den Freizeitbedürfnissen und den in die Freizeit verlagerten Recharging-Strategien junger Menschen zu beschäftigen, um Erkenntnisse zu gewinnen, wie man Jugendliche in der Bewältigung der Krisenerfahrung bestmöglich unterstützen kann. Wir am Institut für Jugendkulturforschung bleiben an diesem wichtigen und spannenden Thema jedenfalls dran: eine weitere, groß angelegte Studie unter 1.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist bereits in Vorbereitung.“

Weitere Infos auf der Homepage: https://jugendkultur.at/kids-teens-special/

Foto: Pixabay
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